Tradition in steilsten Lagen

Oranienstein

Einführung in die staatlichen Anlagen und jährlichen Arbeiten in Schloss Oranienstein bei Diez, Ems-Fachbach und Vallendar

A. Staatliche Rebschule „Schloß Oranienstein“ bei Diez a.d.Lahn

1. Einrichtung

Infolge des immer größer werdenden Bedarf es an Pfropfreben wurde die Einfuhr von Unterlagsholz aus dem Auslande notwendig. Die Bestimmungen des Reblausgesetzes gestatteten nicht, daß die Importreben in das Weinbaugebiet eingeführt wurden. Aus diesem Grunde wurde außerhalb des Weinbaugebietes in Diez ein Rebenveredelungsbetrieb und eine entsprechende Rebschule in Oranienstein bei Diez ein­gerichtet.

unächst handelte es sich um einen Versuch. Deshalb wurde in Diez eine einfache Scheune mit verhältnismäßig geringen Mitteln in einen Veredlungs­raum und einen Vortreibraum umgewandelt.

Das Erdgeschoß dient als Vortreibraum und das Ober­geschoß, als Veredlungsraµm.
Im Monat Januar 1925 wurde mit den Arbeiten begonnen. Am 9. März war der Umbau der Scheune bereits vollendet, sodaß am 11. März 1925 mit dem Herrichten des Importholzes zur Veredlung an­gefangen werden konnte. Obschon die Ausbildung der Arbeiter, denen das Halten der Rebscheren und Veredlungsmesser beigebracht werden mußte, recht viel Mühe machte, so erlernte ein sehr großer Teil ver­hältnismäßig rasch das Veredeln, so daß die von dem Rebschulbesitzer Paschoud in Corsy bei Lausanne eingeführten 200 km Unterlagsholz (500 000 Stück Schnittreben) bis Mitte Mai hergerichtet, veredelt und vorgetrieben worden waren. Diese Arbeiten wurden mit 60 Arbeitern und Arbeiterinnen durchgeführt. Für den Anfang war das eine recht befriedigende Leistung.
Gleichzeitig wurde auf staatlichem Domänen­gelände in Oranienstein bei Diez eine 3 ha, 73 ar, 77 qm große Rebschule (Fläche A) angelegt.

Lageplan Staatliche Rebschule Schloss Oranienstein bei Diez
Lageplan Staatliche Rebschule Schloss Oranienstein bei Diez
© 2021 Verein für Geschichte / Denkmal- und Landschaftspflege e.V. Bad Ems

Das Gelände wurde zuerst durch Ausbau eines 4 m breiten Quer­- und Längsweges in 4 Einschulungsfelder geteilt und planiert. Der untere Teil mit kiesigem Untergrund wurde mit der Hand 60 cm tief umrigolt. Der obere Teil wurde mit dem Rigolpflug 45-50 cm geackert. Gegen Wildschaden wurde die ganze Fläche 1 m hoch mit Drahtgeflecht eingefriedigt. Zwecks Wasser­versorgung wurde die längs der Wege eingebaute Rohrleitung an die vorhandene Pumpstation, die von der Reichsvermögensverwaltung in Schloß Oranien­stein eingerichtet worden ist, angeschlossen.
Im Monate Mai wurden die jungen Pfröpflinge, die im Vortreibraume recht gleichmäßig Callus ge­bildet und kräftig ausgetrieben hatten, eingeschult. Dank des warmen Maiwetters vollzog sich die Aus­pflanzung der Pfröpflinge ohne Störung, sodaß sie sich in der Rebschule zu recht kräftigen Pflanzen ent­wickelten. 25 000 Stück konnten bereits im Frühjahr 1926 als einjährige Pfröpflinge an die Winzer ab­gegeben werden.
Infolge des günstigen Resultates wurde zur Ver­größerung des Betriebes geschritten. Im Winter 1925-1926 wurde das staatliche Domänengelände rechts von der Oraniensteiner Straße (Fläche B, 3 ha, 49 ar, 94 qm groß) planiert, gerodet und mit einer Wegeanlage versehen. Das Grundstück wurde, wie bei Fläche A, entsprechend eingefriedigt und die Wasserleitung längs der Wege mit mehreren Zapf­stellen angelegt.
Im November 1925 wurde das zum Schloß Oranien­stein gehörende Oekonomiegebäude nebst dem 1 ha, 86 ar, 43 qm großen Gemüsegarten gepachtet. Der Gemüsegarten wurde mit dem Rigolpflug umgeackert und im Frühjahr 1926 bereits mit einer halben Million Pfröpflingen gepflanzt.
Das Oekonomiegebäude konnte erst im Früh­jahre 1927 entsprechend umgebaut und für den Ver­edlungsbetrieb eingerichtet werden.
Da in der Diezer Scheune nur ein Veredlungs­raum und ein Vortreibraum eingerichtet werden konnte, so machte sich der Mangel eines Abhärtungs­raumes sehr unangenehm fühlbar.
Um der immer größer werdenden Nachfrage nach Pfropfreben zu entsprechen, sind im Frühjahr 1926 1.069.760 Stück Pfröpflinge angefertigt und ins­gesamt mit den 117.640 Stück amerikanischen Schnittreben (= 1.172.400 Reben überhaupt) ein­geschult worden. Es hat sich herausgestellt, daß auch diese Rebenmengen nicht ausreichten, zumal im Durchschnitt nur mit 30 % Verwachsungen gerechnet werden kann. Aus diesem Grunde sind im Früh­jahr 1927 aus der Schweiz, Montpellier, Wiener Neu­stadt und Siebenbürgen 2. 000.000 Unterlagsreben ein­geführt worden.
Da im Diezer Betriebe höchstens 1 Million Pfröpf­linge hergestellt werden können, so wurden die Oekonomie-Gebäude in Oranienstein zu einem Ver­edlungsbetriebe umgewandelt, sodaß in Diez z. Z. auf 2 Stellen gearbeitet wird.
Die zum Oekonomiegebäude gehörende Scheune wurde, ebenso wie in Diez, in einen oberen Ver­edelungsraum und unteren Vortreibraum eingerichtet. Die Stallungen und die Keller des Oekonomiegebäudes sind zu· Rebenaufbewahrungsräumen hergerichtet worden.
Für die Abhärtung der Pfröpflinge ist eine sieben­etagige Abhärtungshalle, die über 1.100 Veredlungs­kisten faßt, neu errichtet worden. Mittels elektrisch betriebenem Aufzuge und Fahrgestell können die Kisten aus dem Vortreibraume beliebig an jede Stelle des Abhärtungsraumes gebracht werden, sodaß die Bedienung des Raumes sehr einfach ist. Es können somit 2.000.000 Reben bequem veredelt, vorgetrieben und abgehärtet werden.
Außer diesen Betriebseinrichtungen sind auch Wohnungen für das Ueberwachungspersonal ein­gerichtet worden. Im Oekonomiegebäude ist eine Dienstwohnung für den Weinbautechniker, der die Arbeiten ständig zu überwachen hat, eingerichtet worden. Im Backhause werden Wohnungen für die Weinbaupraktikanten, die sich in der Rebenveredlung ausbilden wollen, hergestellt. Eventuell kommt diese Wohnung auch noch für einen zweiten Aufsichts­beamten in Frage.
Auf diese Weise sind sämtliche Räume des Oeko­nomiegebäudes für den Veredlungsbetrieb nutzbar gemacht und entsprechend verwertet worden.
Die Lage der Rebschule „Schloß Oranienstein“ ist aus der [obigen] Skizze ersichtlich.

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