Tradition in steilsten Lagen

Zulheim

Seiten: 1  2

Der alte Ortsname von Laurenburg

Von Hermann Heck

Am 18. Sept. 1383 bekundete der Edelknecht Wilhelm von Staffel vor Schultheiß und Schöffen des Estener Gerichts, daß er dem Grafen Wilhelm von Katzenelnbogen 10 Gulden auf seine Eigengüter angewiesen habe und zwar üff zweyn wingart, gelegen üff der aüwin obinzülheim und auf einen halbin morgen in dem blanckenberge.
Die Urkunde untersiegelte der Junker Henne Hube von Hohenstein 1).

Sie steht in Zusammenhang mit einer Urkunde vom 9. Mai des gleichen Jahres, die uns meldet, daß dieser Wilhelm von Staffel Burgmann des Grafen Wilhelm von Katzenelnbogen auf Burg Reichenberg geworden war, wofür er dem Grafen 10 Gulden von seinen Eigengütern anweisen sollte, die nahe der Herrschaft (Katzenelnbogen) gelegen seien 2).

Den gleichen Ortsnamen finden wir nochmals in einer Arnsteiner Urkunde vom 25. Jan. 1368, durch die ein Cone von Züylheim und seine Frau Hebel bekunden, daß sie dem Abt Gerhard und seinem Kloster verkauft haben: ihr Kelterhaus mit der Kelter, zwei Hofstätten, einen Garten und drutziehn stucke wingartes, ye daz stucke bit syme vorheübede, beyde groß und kleyne, so wie dye wingarte gelegen sint, oben und nyden an dem berge zeü Lurenburg und Zeüylheim 3).
Der Verkauf geschah vor Hartmut von Esten, Schultheiß. Arnold von Dörnberg, auch Schultheiß und zugleich Schöffe, und den Schöffen Guntram und Heinrich vom Kelterhaus und Wilhelm von Esten.
Für den Aussteller siegelten: der Ritter Hermann Hube von Hohenstein und die Junker Eberhard von Laurenburg und Heinrich von Staffel 3).

Die Festlegung des hier genannten Ortsnamens Zülheim bzw. Züylheim macht Schwierigkeiten, da eine Gleichsetzung mit einem noch heute bestehenden Ortsnamen nicht überliefert ist.
Herquet 3) nahm an, daß es sich bei dem Cone von Züylheim der Urkunde von 1368 um eine Benennung nach dem Ort Saulheim (?) handeln könne.
Dem widerspricht jedoch die urkundliche Überlieferung der für Saulheim (Ober- und Nieder-S.) belegten Ortsnamenformen 4).
Ebenso scheint die ursprünglich von Demandt 1) geäußerte Ansicht, daß es sich bei der Ortsangabe der Urkunde vom 18. Sept. 1383 um Oberzeuzheim handeln könne, aus dem gleichen Grunde anfechtbar 5).
Nach einem Hinweis von Gensicke, der den Ort in der Nähe von Holzappel-Esten suchen möchte, ist Demandt inzwischen von seiner Ansicht abgekommen 6).

Tatsächlich bietet sich für die von Gensicke geäußerte Vermutung eine Menge von Anhaltspunkten.
Die Beurkundung von 1383 ist vor dem Estener Gericht erfolgt. Das gleiche läßt sich auch für die Urkunde von 1368 annehmen, da hier außer dem Schultheiß Hartmut von Esten u. a. die Schöffen Schultheiß Arnold von Dörnberg und Wilhelm von Esten genannt werden. Wichtige Hinweise geben auch die Zeugenlisten.
1368 siegelten der Ritter Hermann Hube von Hohenstein und die Junker Eberhard von Laurenburg und Heinrich von Staffel, während die Urkunde von 1383 von dem Junker Henne Hube von Hohenstein untcrsiegelt wurde und in ihrcm Text besagt, daß die betr. Güter unmittelbar bei solchen Heinrichs von Staffel gelegen seien.
Die Träger dieser Namen finden wir mehr oder weniger miteinander versippt und zur Laurenburger Burgmannschaft gehörig 7).

Hinzu tritt ferner aus dem Text der Urkunde von 1368, daß die an Kloster Arnstein verkauften Güter und Weinberge als oben und nyden an dem berge zcü Lurenburg und Zeüylheim angegeben werden.
Die Weinbergslage müsste also über beide Gemarkungen hinweggegangen sein. Der Ort wäre so in unmittelbarer Nähe von Laurenburg zu suchen. Heutige Katasterbezeichnungen geben beachtenswerte Hinweise.
Der 1368 mitgenannte Flurname Han erscheint heute noch als Hain in der Berglage über dem Westteil von Laurenburg.
Das Obinzulheim der Urkunde vom 18. Sept. 1383, das schon durch die Bezeichnung uff der aüwin obinzülheim mehr für eine Lagebezeichnung als für einen Ortsnamen sprechen dürfte, läßt sich so wohl noch in der Katasterbezeichnung „Ober dem Dorf“ für eine Wiesenlage, unmittelbar bei den letzten Häusern von Laurenburg lahnaufwärts gelegen, erkennen.
Die Annahme obinzülheim als Lagebezeichnung findet eine gewisse Bestätigung in einem „wohl aus dem 18. Jhd. stammenden Rückvermerk der Urkunde“, wo Aue Obern Zulheim angegeben ist 8).

Diese Feststellungen deuten unmittelbar auf das heutige Laurenburg hin, in dem wir wohl das ehemalige Züylheim erblicken können.
Die Vermutung findet eine wesentliche Stütze darin, daß auf einem von Reinhard ⁹) übermittelten Kupfer des 18. Jhds. über Burg und Ort Laurenburg sich folgende Angaben finden: „A. Das uralte Laurenburg (die Burgruine), „C. Das neuere Laurenburg“ (Schloß am Fuße des Burgbergs mit einigen anderen Gebäuden) und „H. Dörflein Zilmer“ ( für den Ort Laurenburg).
Es wird also der alte Name, wenn auch in stark verstümmelter Form, hier noch faßbar, obgleich sich der Name der Burg schon Jahrhunderte vorher auf das Dorf übertragen hatte.
Auch die Weinbergslage, um die es in der Urkunde von 1368 ging, zeigt der Kupferstich noch deutlich.
Ob allerdings auch der Flurname blanckenberge der Urkunde vom 18. Sept. 1383 in der Bezeichnung „In den langen Berg“ des Reinhardschen Kupfers zu erkennen sein dürfte, muß dahingestellt, bleiben.
Die heutige Katasterbezeichnung ist Langenberg. Sie bezieht sich auf ein Waldstück links der Straße Laurenburg-Holzappel, das dort an die Gemarkung von Dörnberg stößt.

Fassen wir alles zusammen, so läßt sich fast mit Sicherheit annehmen, daß wir es in Zülheim oder Züylheim mit dem alten Ortsnamen von Laurenburg zu tun haben. Die spätere Übertragung des Burgnamens auch auf den Ort findet ihre Parallele in Freienfels, das wohl ebenfalls den alten Namen Mainlinten verdrängte 10), in Löhnberg, dessen alter Name Heimau überliefert ist 11), und läßt sich unter ähnlichen Vorzeichen bei Humbach-Montabaur und Esten-Holzappel feststellen, wo neuere Ortsnamen ältere verdrängten.

Auch der Name des Abtes Gerhard II. von Arnstein (1367 – † 20. Nov. 1368), dem Cone von Züylheim jene Güter zu Laurenburg verkaufte, weist in die gleiche Richtung.
Nach Sauer 12) gehörte er zur Familie der Bucher von Laurenburg. Auffallend allerdings ist das Auftreten eines -heim-Namens abseits des als Altsiedelland bekannten Teiles von Mittelnassau im engen, verhältnismäßig verkehrsabgeschlossenen Lahntal.
Zieht man jedoch in Betracht, daß schon die fränkischen „Ausbausiedlungen“ Bilkheim, Guckheim, Lochum recht nahe an den unwirtlichen Gebirgskamm des Westerwaldes gerückt sind 13) und daß auch das nahegelegene Bladernheim fast unter den gleichen Bedingungen wie Züylheim-Laurenburg liegt, so wird das Auftreten eines -heim-Ortes im engen Tal der Lahn nicht verwundern, zumal das sicher sehr frühe Esten in der Nähe der alten Verkehrsstraße Nassau—Diez liegt, die schon durch sie begleitende Hügelgräberfelder (Scheid und Horhausen) als vorgeschichtlicher Höhenweg belegt ist 14).
Da ferner das als -ingen-Ort in die gleiche Stufe fallende Fachingen bereits in den engeren Abschnitt des Lahntals fällt, wird man wohl das Auftauchen auch von Züylheim-Laurenburg nicht beanstanden können.
Die Lahn selbst als Verkehrsstraße mag, ähnlich wie bei Fachingen, hier den Anlaß zur Siedlungsbildung gegeben haben.

1) K. K. Demandt, Regesten d. Grafen v. Katzenelnbogen, l (1953) Nr. 1762.
2) Ebd. Nr. 1750.
3) Staatsarchiv Wiesbaden, Abt. 11 Nr. 207, Regest bei K. Herquet, UB. d. Klosters Arnstein 1883 Nr. 235.
4) Zw. 762 u. 779 Sauuuilenheim, Sauuilenheim (E. E. Stengel, UB.d. Klosters Fulda I l, 1913 S. 64, 102, 159), 8.—12. Jhd. Sauuuilenheim, Souellenheim, Sawelnheim (M. Stimming, Mainzer UB. I, 1932. Register), 1194/98 infer. Sowelnheim (W. Sauer, Die ältesten Lehnsbücher der Herrsch. Boländen, l882 S. 21), H.—9. Jhd. Sowelnh(eim), Sauuilnheimer marca, Sowelnheimer marca, Sauuelnheim (K. Glöckner, Cod. Lauresh. II, 1933 Nrr. 1388, 1504, 1515, 1516), 13. Jhd. Sowelnheim, Sawelnheim (J. M. Kremer) Orig. Nass. 2. Bd., 1779, 237 u. 238), 1260 Sauwelnheym (L. A. .Neubauer, Regg. D. Kl. Werschweiler, 1921 Nr. 199, 1335 Sauwilnheim (W. II. Struck, Regg. Limburg Nr. 227), vor 1389 Sauwelnheim, Sauwilnheim (Demandt Nr. 1877).
5) 940 Ubitisheim (Struck Nr. 2), 1129 Ziubetsheim (Sauer Nr. 178) 1326 Zutsheim (H. B. Wenck) Hess. Landesgesch. 1. Bd. UB. Nr. 160), 13 [34—35] Züitsheim, ebenso 1349 (Struck Nrr 226, 230 u. 335) und 1349 (ebd. Nr. 371), 1339 Züithem (ebd. Nr. 268), 1349 Züchem (ebd. Nr. 368) 1353 Zutzheym (ebd. Nr. 424) 1341 Züiczheim (ebd. 281), 1359 Zuczheim (ebd. Nr. 476), 1367 Züczhem (ebd. Nr. 560 u. Demandt Nr. 1362).
⁶) Mitteilung v. 29.3. 1956.
⁷) Vgl. H. Gensicke, Das Kirchspiel und die Herrschaft Nievern, in: Nass. Ann. 67. Bd. 1956 S. 214 ff.
⁸) Mittlg. des Staatsarchivs Marburg v. 26. 4. 1956.
⁹) Joh. Jak. Reinhard, Jurist, u. Hist. kl. Ausführungen, 1749, 2. Bd., Beilage n. S. 106.
10) K. H. May, Territorialgesch. d. Oberlahnkreises (1939), bes. S. 102 u. 264
11) Ebd. S. 248.
12) W. Sauer, Gerhard Bucher v. Laurenburg, nicht Gerhard Burset, Abt von Arnstein, in: Nau. Ann. 20. Bd. 1888 S. 366.
13) Vgl. H. Gensicke, Die Anfänge von Montabaur, Limburg und Weilburg, in: Nass. Ann. 67. Bd. 1956 S. 17.
14) K. Schumacher, Beiträge z. Siedlungs- u, Kulturgeschichte des Westerwaldes und Taunus in der Hallstatt- u. La-Tène-Zeit, in: Nass. Ann. 44. Bd. 1916/17 S. 185 u. 196 (Karte), wo jedoch die Angabe des Hügelgräberfeldes „am heiligen Platz“, im Wald an der Straße von Holzappel nach Scheid, fehlt.

Aus: Nass. Annalen 68. Bd. 1957

***

Seiten:  1  2

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert