Tradition in steilsten Lagen

Aull

Der erste bekannten Hinweis datiert Weinbau bei Aull bereits für das beginnende 13. Jahrhundert. Der erste urkundliche Nachweis kann erst für 1275 geführt werden.

Erste bekannte Erwähnung von Weinbau bei Aull

Bis zu dem durch die Auswirkungen des 30-jährigen Krieges bedingten Niedergangs des Weinbaus an der Lahn (vgl. Pahl/Schöne Kurze Geschichte des Lahnweinbaus, S. 2) bezeugen zahlreiche Dokumente den frühen und umfangreichen Besitz des Klosters Dirstein an Weingärten um Aull.
Das Nonnenkloster des Benediktinerordens wurde auf einem Lahnfelsen gegenüber Aull vor dem Jahr 1165 gegründet.

Dieses führt auch der Verfasser der Geschichte des Schlosses Oranienstein in seinem Werk auf Seite 10 aus:

Das Kloster hatte […] schon im Jahr 1211 außerordentlich viele und reiche Besitzungen, […].

Es zählen dazu die Höfe in: …, Aull, …, Gückingen, …, Staffel, ….

Quelle:
Dr. Weniger, Geschichte des Schlosses Oranienstein, a.a.O., S.10

Dass zu den Besitzungen auch Weinberge zählten, darf man aus seinem Verweis auf die Hausordnung des Klosters aus dem Jahr 1200 schlussfolgern, nach der jede Nonne täglich etwas Wein, der aus den eigenen Weinbergen geerntet wurde, erhielt.

Da Dr. Weniger die Quellen seiner Ausführungen in seinem Werk leider nicht verzeichnet hat, können diese Hinweise nicht den Erfordernissen für einen ersten urkundlichen Nachweis von Weinbau bei Aull genügen.


Diesen führen wir mit folgendem Dokument, in dem wir durch die erstmalige bekannte Nennung der Orte Langenscheid, Laurenburg und Wasenbach sowie einer weiteren Nennung von Weinähr (Anre) über die frühe Verbreitung von Weinbau in der Region erfahren.

Erster bekannter urkundlicher Nachweis

1275

Graf Heinrich von Sponheim (Spanheim) überlässt dem Zisterziensernonnenkloster Affolderbach die Pfarrkirche zu Nievern (Niverin), die Friedrich und Daniel, Herren von Langenau (Langenowe), Dietrich, Heinrich und Wipert, Ritter, Friedrich genannt der Einäugige (dictus Luscus) und Sibido von Laurenburg (Lurinburch) von ihm zu Lehen trugen, auf deren Bitte [hin]. Um aber das Treueband zwischen dem Aussteller und den genannten Mannen zu erhalten, weist jeder von diesen ihm aus Eigengut ein neues Lehen zu im Wert von 18 Schillingen jährlicher Einkünfte, nämlich die Brüder Friedrich und Daniel 2 Mark von ihrem Allod bei Winden (Windin), Dietrich von seinen Weinbergen bei Langenscheid (Langischeith), Heinrich von seinen Weinbergen bei Laurenburg, die Brüder Wipert und Friedrich bei Winzenbach [Wasenbach?] (apud Winzenbach) von ihren Weinbergen bei dem Dorf Aul (Awele), Sibodo von seinen Weinbergen bei dem Dorf Weinähr (Anre).

Quelle: Arcinsys / HHStAW, Bestand 10, Nr. 2

Historische Lagen

Die Auswertung der zahlreichen Dokumente zeigt uns, dass nahezu am gesamten Südhang vom Hambachtal westlich Aull, anschließend unterhalb Gückingen und an den Lahnhängen bis Staffel im Osten nahezu durchgehend Weinbau betrieben wurde. Hierzu konnten neben der Bezeichnung Auller Berg die Lagen In der Bach,  Im WetzsteinIm Roedelberg und am Dirsteiner Berg identifiziert und lokalisiert werden.

Einzelheiten und weitere Erwähnungen finden Sie über die Verlinkungen.

Weitere, in den folgenden Dokumenten benannte Lagen, wie
– ein Weingarten, genannt das Paradies (1334),
– ein Weingarten, genannt der Collner (1409) oder
– ein Weingarten bii dem heyligenhuß gelegen (1476)
– ein Weingarten, genannt in Siechuysbergh (1525)

konnten bisher noch nicht lokalisiert werden.


Weitere Erwähnungen

25. Januar 1334

Dyme Prof, genannt von Aull (‚Awele‘), und Styne, Eheleute, verkaufen Jutta, Meisterin des Konvents zu Dirstein, für 11 Mark Pfennig weniger 1 Schilling, 3 Heller für den Pfennig gerechnet, die diese ihnen bezahlt hat, 1 Malter ewiger Korngülte Limburger Maß, die sie jährlich zwischen dem 15. August und 8. September nach Dirstein auf deren Haus auf eigene Kosten und mit eigener Arbeit liefern sollen, aus einem Weingarten, genannt das Paradies, der in eines Erben Hand bleiben soll.

Originaldatierung: D. in conversione sancti Pauli apostoli 1334

Quelle: 
Arcinsys/HHStAW, Bestand 21, Nr. U 32

Vom Wohnort der Verkäufer ausgehend darf man vermuten, dass besagter Weingarten ebendortgelegen war. Seine beeindruckende Benennung mag von einem qualitativ hohen Ertrag herrühren.
Ein Hinweis auf seine Lage erschliesst sich daraus heute leider nicht mehr .


1409

Dietrich von Nassau macht, da nichts sicherer als der Tod und nichts unsicherer als die Stunde des Todes ist, sein Testament. […]

Er vermacht: […] seiner Magd Grete auf Lebenszeit für ihre treuen Dienste seinen Weingarten zu Aull (‚Auwel‘), genannt der ‚Collner‚, der danach der Kapelle zu Aull gehören soll, […]

Quelle: 
Arcinsys/HHStAW, Bestand 40, Nr. U 676 a

Eine Lokalisierung der benannten Weinbergslage ist bisher nicht gelungen.


um 1450

In der Beschreibung des Klosterhofs zu Dirstein erfahren wir von einem Weingarten hinter dem Haus (hinder dem husse) und bei der Ansprache eines Stück (placken) [Acker-]landes, das über (uff) der Hollen über dem Weingarten (uff den wyngarten) liegt, von einem weiteren.

Dysße hernach geschreben ist der hoff myt synem zogehore, als yne Henn Houbet von Auwel inhebich besessen hait von wegen der junffrauwen zu Dyrsteynn: Item zom allerersten der hoff m(it dem) huse und schuren unde gerten, s(o) darzu gehorich ist und die (..) hynder der schuren. Item der wyngart hynder dem husse. […]
Item uff der hollen uff den wyngarten eyn placken landes hait inne Clas Molnerß Henne und Claiß Molner und Henne von Schue und ist 1 m. starcke.

Quelle: 
Arcinsys/HHStAW, Bestand 21, Nr. U 43 d

Der Flurname uff der hollen ist nicht überliefert, daher ist eine Lokalisierung derzeit nicht möglich.


1452

Die benannte Akte beinhaltet zahlreiche Dokumente, darunter zu einer …

Belehnung des Peter Leder aus Aull mit einem Weingarten zwischen Diez und Aull

Quelle: 
Arcinsys/HHStAW, Bestand 170 II, Nr. 1452 b

Detaillierte Angaben über besagten Weingarten werden vermutlich erst durch eine diesbezügliche Auswertung des Originals zu erfahren sein.


12. Juli 1476

Jekell, Sohn des + Jakob Gereman, von Aull (‚Auwel‘) und seine Frau Katherinchen verkaufen Katharina, Äbtissin des Klosters Bärbach (‚zu der Berp-‚), und dem Konvent daselbst für 48 rheinische Gulden Limburger Währung zu je 24 Weißpfennig, die diese ihnen bezahlt haben, [unter Anderem] einen Weingarten mit seinem Zubehör ‚bii dem heyligenhuß gelegen zuschen Marquart unde Micheln Unverscheyden unden und(e) oben mit ynne dye Lane‘. […]

Originaldatierung: G. am fritag nach sant Kylians dag 1476

Quelle:
Arcinsys Hessen/HHStAW, Bestand 12, Nr. U 182

Aus der Lagebezeichnung des Weingartens bii dem heyligenhuß, was durchaus bei der Kirche gelegen meint, lässt sich in Kenntnis der Lage der (mittlerweile) abgerissenen Kirche – jenseits des Hambaches im Bereich der heutigen Kreuzung Aull – Hambach – Gückingen auf die ehemalige Lage des Weingartens schließen.

Danach mag dieser in der heute Burg-Berg benannten Auller Flur 9 gelegen haben. Zumindest lassen sich an deren Südhang noch Hinweise auf eine frühere Terrassierung erkennen.


zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts

Johann Hermann Steubing nennt in seiner Topographie der Stadt und Grafschaft Diez im §. 20. Allerlei örtliche Merkwürdigkeiten aus der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts zahlreiche Orte im Zusammenhang mit Weinbau. Zu Aull vermerkt er:

Die von Reiffenberg hatten zu Auel einen Weinberg.

Quelle: 
Johann Herrmann Steubing, Topographie der Stadt und Graffschaft Dietz, a.a.O., S. 287 (§20) 

02. Dezember 1579

Johann Torm aus Gückingen und seine Ehefrau Merge verkaufen Franz Lotz zu Gückingen den Weinberg Reifenberg und verschiedene Grundstücke zu Gückingen.

Quelle: 
Arcinsys/HHStAW, Bestand 170 I, Nr. U 4824

Augenscheinlich weist dieses Dokument den Verkauf jenes Weinberges aus, den J. H. Steubing in seiner o.g. Anmerkung vormals den Reifenbergs gehörend benannt hat.

Allerdings darf man vermuten, dass die Lage jenes Weinbergs nunmehr dem Ort Gückingen zugeordnet werden darf.


Letzte bekannte Erwähnung

Die letzte bekannte Datierung von Weinbau bei Aull (und Gückingen) finden wir in der im Jahr 1899 veröffentlichten Aufbereitung der Geschichte des Schlosses Oranienstein. Hier führt der Verfasser im Ersten Teil. Kloster Dirstein aus:

In der näheren Umgebung Dirsteins grüßten vom rechten Lahnufer Aull und Gückingen aus rebenbewachsenen Bergen, wie denn damals und noch bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts der Weinbau im „Diezischen“ in hoher Blüte stand.

Quelle:
Dr. Weniger, Geschichte des Schlosses Oranienstein, a.a.O., S.9

Daraus darf geschlossen werden, dass noch am Anfang des 19. Jahrhunderts auch zu Aull noch Weinbau betrieben wurde.


Niedergang des Weinbaus bei Aull

Allerdings führt der Verfasser zum Ausgang des Klosters Dirstein auf Seite 15 weiter aus:

Während des dreißigjährigen Krieges entstanden noch mancherlei Streitigkeiten über die Stiftsgüter […] . […] der Westfälische Friede sicherte schließlich […], was der dreißigjährige Krieg von dem einst so reichen Stift übrig gelassen hat.

Die Güter waren verwüstet, die Weinberge größtenteils vernichtet, […]

Quelle:
Dr. Weniger, Geschichte des Schlosses Oranienstein, a.a.O., S.15

Zudem beschließt der Verfasser Des Werkes Zweiter Teil. Schloss Oranienstein. mit einem Tableau über den Anschlag der oraniensteinischen Güter und Gefälle nach Empfang und Ausgabe der darüber geführten Rechnung de Anno 1673.

Darin heißt es in der Zeile Weingefälle in einer Spalten übergreifenden Anmerkung:

Davon ist in 50 Jaren nichts gefallen kann auch nicht wider im gang gebracht werden, ergo

Angaben in den Spalten zur Größe sind mit einem „-“ versehen. Die folgende Spalte unter der Rubrik Capital enthält ebenfalls nur „-„.

Schlussfolgernd kann dies nur bedeuten – aber somit im Widerspruch zu seinen Ausführungen auf Seite 9, dass die vormaligen Weinberge bereits früh im 30-jährigen Krieg (etwa um 1625) keinen Ertrag mehr abwarfen und dies offensichtlich auch um Aull das Ende des Weinbaus bedeutete.

Eine Bestätigung dieser Annahme finden wir in J. H. Steubings Ausführungen zu Auel in seiner Topographie der Stadt und Grafschaft Dietz:

Es [das Dorf] hatte 1810 im May 6 Pferde, 1 Füllen. 12 Ochsen, 22 Rinder, 10 Ziegen und 19 Schweine, und seine Gemarkung schloß ein 7 Morgen 14 Ruthen Gärten, 360 Morgen 121 Ruthen Ackerland, 49 Morgen 25 Ruthen Wiesen und 32 Morgen unbrauchbares.

Quelle:
Johann Herrmann Steubing, Topographie der Stadt und Graffschaft Dietz, a.a.O., S. 154

Ein Bestand an Weingärten ist nicht aufgeführt, was für den bereits erfolgten Ausgang des Weinbaus spricht.


Gegenwart

Heute zeugen nur noch rudimentäre Hinweise auf eine Terrassierung der Südhänge am Hambach sowie unterhalb von Gückingen und an den Hängen des Roedelberges sowie des Diersteiner Kopfes von vergangenem Weinbau.

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